Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit
mit Israel im Kreis Wesel e. V.

Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit mit Israel e. V.

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Synagoge Riga

„Haben sie gleich gelaufen sagen, dass Juden"

Nach der morgendlichen Stadtführung durch Riga besuchten wir die jüdische Synagoge. Zu ihrem Schutz ist vor dem Eingang eine Art Wohnwagen der Polizei dauerhaft installiert. Sie stammt von 1904 und ist die einzige in Riga erhaltene Synagoge. Der große schlichte Raum ist gut erhalten und lässt daher die typische Synagoge von früher erkennen, lediglich die Bänke sind neu. Vermutlich hatte sich nach dem Einmarsch der Nazis ein ev. Pastor für den Erhalt des Hauses eingesetzt, das dann auch als Pferdestall genutzt wurde. Die Thora-Rollen blieben erhalten, sie waren hinter einer Bretterwand versteckt. An der Eingangswand erinnert eine Tafel mit 56 beleuchteten Messingplättchen an die jüd. Gemeinden Lettlands, die völlig vernichtet wurden. Die Sicherheitskräfte vor dem Haus sind postiert, da es bereits zwei Anschläge gab.

Die auf Russisch gegebenen Erläuterungen von Hermann Lewin wurden uns übersetzt. Die jüd. Gemeinde ist etwa 500 Jahre alt und geht auf dt. Ursprünge zurück. Zuzug gab es Ende des 19. Jh. aus anderen Orten Lettlands und aus Weißrussland. Von den 1940 hier ansässigen Juden sind nur mehr ganz wenige hier, etwa 95% sind neu. Der Rabbiner vertritt die hier übliche „Litauische Richtung". Die chassidische oder Chabbat-Richtung (?) hielt früher ihre Gottesdienste im Tiefgeschoss ab, heute finden diese zusammen statt. Der aus Stettin stammende Vater Hermann Lewins studierte 1940 in Paris, kam quer durch Europa zurück und wurde Soldat. Die Mutter wurde als höhere Beamtin, begleitet von Mutter und Schwester, vor den anrückenden Deutschen nach Sibirien evakuiert. Die übrige Familie überlebte nicht.

In Lettland leben heute ca. 10 000 Juden. Die meisten sind in Riga beheimatet, wo es mehrere Gemeinden gibt. Die eigene Gemeinde hat ca. 150 Mitglieder, zum Gottesdienst am Sabbat kommen 50. Hier arbeiten zwei Rabbiner, die jeweils auch noch andere Gemeinden mit versorgen. Sie sind zugleich „Banker" mit Blick auf mögliche Spendeneinnahmen. Sie wurden in Israel und den USA ausgebildet und auf der europ. Rabbinerkonferenz vertreten. Unser Gastgeber selbst stammt aus dem ukrainischen Odessa und wurde von der hiesigen Gemeinde bestellt. Die Jungen machen heute ca. 50% der jüd. Bevölkerung aus, kommen aber meist aus den anderen Gemeinden Rigas.

In Lettland lebten 1940/41 ca. 100 000 Juden, davon wurden 12 000 evakuiert. 120 von ihnen kamen nach dem Krieg nach Riga zurück. Bei Riga wurden aber auch viele Juden aus anderen Ländern ermordet. In der Sowjetgesellschaft war der Druck auf die Juden so stark, dass viele Junge schon aus Protest den Weg zurück zum Judentum fanden.

In Riga gibt es zwei jüdische Schulen. Die eine ist öffentlich-kostenlos-säkular und nimmt auch Nicht-Juden auf. Der Unterricht erfolgt auf Russisch, auch Jiddisch, dazu drei mögliche Fremdsprachen. Die andere Schule ist privat-gebührenpflichtig-konfessionell (nur Juden nach dem Gesetz), die Unterrichtssprache ist Russisch, danach aber auch Hebräisch.

Als überlebender Zeitzeuge berichtete eindringlich - auf Jiddisch und Deutsch - Boruch Stei(n)mann. Er ging damals als 18-Jähriger in die Rote Armee und überstand trotz einer Verwundung die Belagerung von Leningrad (wo eine große waffentechnische Überlegenheit der dt. Armee bestanden habe). Er berichtete von seinen lettischen Landsleuten, dass sie Juden sofort denunziert hätten: „haben sie gleich gelaufen sagen, dass [wir] Juden [sind]".

Bernhard Schmidt