Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit
mit Israel im Kreis Wesel e. V.

Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit mit Israel e. V.

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Studienfahrt ins Baltikum 2004
Anreise
Besuch des Jüdischen Gymnasiums in Tallinn
Klooga
Herrschaften und Herrenhäuser
Von Tallin nach Riga
Riga
Synagoge Riga
Museum „Juden in Lettland
Bikernieki und Rumbula
Gespräch mit Herrn Baumanis
Berg der Kreuze, Kedainiai, Vilnius
Besuch der Kenesa
Fahrt nach Trakai
letzte Station: Vilnius
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Riga

Nach der ersten Nacht in Riga und einem reichhaltigem Frühstücksbüffet (neben Hering usw. gab es auch ein leckeres Müsli!) erwartete uns um 9 Uhr Anda, unsere lettische Stadtführerin. Sie wurde bald schon „Anda rabiata" genannt, denn sie ging mit recht energischem Schritt voran nach der Devise „Wer nicht mitkommt, muss sehen, wo er bleibt!" und duldete keinen Widerspruch. Wie alle anderen Reisefuhrerinnen sprach auch Anda ein ganz ausgezeichnetes Deutsch.

Mit Anda machten wir eine kombinierte Bus- und Zu-Fuß-Stadtführung, gut eingepackt in Schals und Mützen durch ein herbstlich-kühles Riga. Aber es regnete nicht.

Unser Hotel Konventa Seta befand sich mitten in der Altstadt und wurde mit Mitteln der Partnerstadt Bremen gebaut. Diese Partnerschaft besteht seit 1981 und funktionierte immer sehr gut. Nach der Wende finanzierten die Bremer dann im historischen, aber damals völlig heruntergekommenen Konventa Seta - Viertel den Bau dieses ökologischen Hotels in mehreren nebeneinander liegenden historischen Gebäuden.

Im Johanni-Hof mit Blick auf die Johannis-Kirche und die Petri-Kirche (erstmals erwähnt 1209, höchster Turm der Stadt, im Laufe der Jahrhunderte mehrfach zerstört und immer wieder aufgebaut) gab uns Anda einen ausführlichen Abriss über die Geschichte der Stadt: heute 745.000 Einwohner, gegründet 1201, während der Blüte der Hansezeit eine der reichsten Städte der Hanse; im 2. Weltkrieg zu einem Drittel zerstört; wieder aufgebaut wurde das historische Zentrum 1997 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Weiter ging es zum Rathausplatz mit der Rolandstatue und dem Schwarzhäupterhaus (Zunfthaus der unverheirateten auswärtigen Kaufleute, holländ. Renaissancestil, im 2. Weltkrieg vollständig zerstört, zum 800-jähr. Stadtjubiläum 2001 wieder hergestellt, genauso wie das klassizistische Rathaus gegenüber).

Wir fuhren weiter mit dem Bus an der Düna entlang. Anda erzählte und erklärte. Gespräche im hinteren Teil des Busses wurden gestoppt mit der scharfen Frage: „Störe ich Euch?" -
„Neiiin!" - „Aber Ihr stört mich!!"

Wir erfuhren, dass Riga keinen bedeutenden Passagierhafen hat wie z.B. Tallin, wir sahen aber Schiffe im Industrie- und Handelshafen.

Bald erreichten wir das Viertel mit den prachtvollen Jugendstilhäusern, die während des Baubooms in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg entstanden. Damals wuchs die Stadt so schnell, dass neue Wohnviertel nötig waren und mehr als 800 Häuser in schönstem Jugendstil gebaut wurden. In der Elisabeth-, Albert-, und Schützenstraße und in den Nebenstraßen bewunderten wir die Fassaden der Häuser, u.a. von Michael Eisenstein.

Mit dem Bus fuhren wir zurück zur Altstadt, vorbei an weiten Parkanlagen (früherer
Stadtgraben, zugeschüttet), wunderschön mit den herbstlichen Farben. Wir sahen die Deutsche Botschaft, kamen am Bahnhof vorbei und an den Hallen des Zentralmarktes. Riga hat ca. 30 Markthallen und unzählige Plätze mit Marktbetrieb.

Die Innenstadt ist komplett durch Schranken für Autos gesperrt. Das erlaubt entspannte Spaziergänge: vom Ordensschloss (heute befindet sich darin ein Museum) vorbei an der Maria-Madgalena- Kirche und an der Jakobi-Kirche (1225 erbaut, protestantisch, heute größte kath. Kirche, einziger rein gotischer Kirchturm der Stadt) zum Domplatz (hier pfiff der kalte Wind besonders, Dom z. Zt. geschlossen), vorbei an den „Drei Brüdern" (Name in Anlehnung an die ,,Drei Schwestern" in Tallin, hier erbaut zu unterschiedlichen Zeiten, älteste erhaltene Wohnhäuser von einfachen Bürgern, das rechte Haus mit gotischem Stufengiebel aus dem 15. Jahrhundert). . .

Vereinzelt nähren dann doch mal Autos, aber Anda meinte: „ Hier ist Fußgängerzone. Wenn Sie überfahren werden, haben Sie die Beruhigung, dass Sie Recht hatten!" Anda rührte uns an unzähligen bemerkenswerten Bauten im Eilschritt vorbei und immer hieß es dann: „Das können Sie in Ihrer freien Zeit besuchen!"

Unser Spaziergang endete am Platz der Gilde vor den Gebäuden der Großen und der Kleinen Gilde Gegenüber steht das sog. Katzenhaus. Ein reicher jüdischer Kaufmann mit Namen Otto Katz dem die Aufnahme in die Gilde verweigert worden war, platzierte eine Katze auf dem Turm, wobei die Katze dem Gildehaus das Hinterteil zukehrte, eine Ungeheuerlichkeit. Es gab einen jahrelangen Prozess, er musste die Katze umdrehen.

Hier bekam dann der liebe Heinz Walther noch eins drüber. Auf eine Nachfrage von ihm der scharfe Satz von Anda: „Sie quatschen hinter meinem Rücken und ich muss alles wiederholen! Anda bleibt unvergessen!

An diesem Tag waren Dagmar und Herbert Beck schon nicht mehr dabei. Wir bedauerten das immer wieder und wünschten natürlich insbesondere Herbert gute Besserung. Beide flogen noch an diesem Tag zurück, nachdem Herbert im Krankenhaus auf Bandscheibenvorfall untersucht worden war.

Nach dem Besuch der Synagoge und des jüdischen Museums (s.u.) hatten wir Freizeit, d.h. Zeit um - natürlich ganz im Sinne von Anda - all die Eindrücke zu vertiefen. Wie immer fanden sich kleinere Gruppen, um dann z.B. die großen Markthallen zu besuchen, das Angebot an Gemüse, Fleisch, Fisch, Brot, Gewürzen usw. war reichhaltig.

In den großen Einkaufsstraßen sahen wir die elegantesten Läden mit westlichen Modemarken und fragten uns, wer kann das kaufen bei einem monatlichen Durchschnittslohn von 200 Lats.

Ein Höhepunkt war sicherlich auch ein Kaffee oder ein Riga-Balsam im 26. Stockwerk des Hotel Latvija mit einer unbeschreiblichen Aussicht auf die Dächer, Kuppeln und Turme und die herbstlich bunt gefärbten Grünanlagen der Stadt. Eine wahrlich schöne Stadt!

Maren Schmidt