Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit
mit Israel im Kreis Wesel e. V.

Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit mit Israel e. V.

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Klooga

Unser Besuch in „Klooga“ – einem Außenlager des KZ Vaivara in Estland am Montag, dem 18.10.2004

Unsere Fahrt nach „Klooga“ ist im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Besetzung Estlands zu sehen, die die Ermordung vieler Juden und Jüdinnen, ebenfalls russischer Gefangener und politischer Häftlinge zur Folge hatte. Wir wollten uns vor Ort daran erinnern und gedenken.

Während der Busfahrt dorthin war unserer Gruppe die Möglichkeit gegeben, eine Mittagspause einzulegen und auch die Informationen des Vormittags im jüdischen Gymnasium in Tallin zu verarbeiten.

Die meisten Konzentrationslager der Nazis wurden außerhalb der Städte angelegt („Geheime Kommandosache“ oder/und Angst vor Entdeckung). Deswegen waren die Wälder im Baltikum nahe der Ostsee dafür prädestiniert. So erlebten wir denn auch „Klooga“ mit seinem inhaltlichen Schrecken in einer inzwischen naturgeschützten bewaldeten Landschaft in der Nähe des Ostseestrandes von Estland.

Unser Bus fuhr einen sehr langen Waldweg bis zu einem Bachlauf, den wir nicht überqueren konnten, so dass wir weiter zu Fuß zu den zwei Gedenkstätten gingen. Die dicht beieinanderliegenden Denkmäler wurden von den jüdischen Gemeinden in Estland und der russischen Besatzungsmacht nach 1944 zu Ehren ihrer ermordeten Landsleute - mit hebräisch-jiddischen und russischen Gedenktexten versehen - aufgestellt.

Woran sollte vor Ort erinnert werden? (Geschichtlicher Hntergrund):
Ich beziehe mich auf Ausführungen im Presseorgan „Der Sozialdemo- kratische Kämpfer“ (Österreich) Nr. 10-11-12/2001 `Spuren der NS-Gewalt im Baltikum`: „Das KZ Vaivara wurde im September 1943 als Aufnahme- und Durchgangslager für Frauen und Männer eröffnet. Diesem Konzentrationslager unterstanden 27 Nebenlager (u.a. Klooga), wovon 7 bereits seit 1941 als `Zwangsarbeitslager für Juden und Jüdinnen` bestanden. Die Häftlinge des KZ Vaivara und seiner Außenkommandos wurden, nachdem die von der SS als arbeitsunfähig eingestuften Leidensgenossen ermordet worden waren, für schwere Außenarbeiten eingesetzt.

Ungefähr 20 000 Gefangene durchgingen das KZ, wobei die meisten von ihnen aus den Ghettolagern Vilna und Kaunas (Kowno) hierher verlegt wurden.

Über die Zahl und das Schicksal der Kinder, die ebenfalls nach Vaivara oder in die Außenlager deportiert wurden, fehlen jegliche Informationen.

In dem zum KZ Vaivara gehörenden Außenkommando Klooga wurden im Oktober 1944 kurz vor Eintreffen der Roten Armee 1500 jüdische Frauen und Männer aus Vilna und Kaunas, 800 sowjetische Kriegsgefangene und 700 politische Gefangene aus Estland von der SS erschossen und auf Scheiterhaufen verbrannt. 85 Häftlinge überlebten dieses Massaker. Die überwiegende Zahl der noch lebenden Gefangenen des KZ Vaivara wurden beim Herannahen der Roten Armee in die Konzentrationslager Stutthof und Auschwitz verschleppt. Die wenigen in Vaivara verbliebenen Häftlinge wurden am 28. Juni 1944 durch die Rote
Armee befreit. Trotz des Umfangs der SS Gräueltaten finden sich in Estland nur spärliche Spuren dieser traurigen Vergangenheit. ...
Angestellte Recherchen über das KZ Vaivara blieben ohne Erfolg.“

Am jüdischen Mahnmal legte unsere Gruppe ein Blumengesteck nieder.
Nach den Worten von Paul Dieter Süßer schwiegen wir einige Minuten und gingen nachdenklich und betroffen zu unserem Bus zurück.

Während der Rückfahrt nach Tallin entlang des schönen Ostseestrandes dachte ich über das morgendliche Gespräch mit Rafail Belchikov in der Talliner Synagoge über Schuld und Versöhnung nach. Dieser alte und weise Jude, der, wie er sagte, als Soldat mit der Roten Armee in Berlin einmarschiert und die Reichskanzlei erobert hatte, gab uns Folgendes sinngemäß mit auf dem Weg, worüber ich noch lange nachzudenken habe:
„Es ist genug Blut geflossen, um noch weiterhin über Schuld und Versöhnung zu sprechen. Ich bin glücklich darüber, dass Ihr mich hier als Brüder und Schwestern besucht habt.“

Heinz Walther