Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit
mit Israel im Kreis Wesel e. V.

Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit mit Israel e. V.

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Die Alte Synagoge in Kazimierz

Die Juden leben seit 8 Jahrhunderten in Polen. Aber ein genaues Gründungsdatum der ersten jüdischen Siedlung im polnischen Raum ist nicht bekannt. Es existieren zwei Thesen zu diesem Thema, die im XIX Jh. zum ersten Mal formuliert wurden.

Die erste These wurde im liberalen und assimilierten jüdischen Milieu entwickelt. Es geht um eine Legende über Po-Lin (Jüdische Name fi1r Polen; hebr. "Hier verbleib") - einem gastlichen Land, welches Gott selbst den jüdischen Exilanten gezeigt haben soll. Tadeusz Czacki, ein polnischer Historiker schreibt in seinem 1807 veröffentlichten Buch "Abhandlung über Juden und Karaiten", dass die jüdischen Kolonisten sowoW aus deutschsprachigen Gebieten als auch aus dem an der Wolga liegenden Staat Chasaars nach Polen gekommen seien. Diese Tatsache ist ein Beweis filr die slawische Genealogie der Juden.

Die andere, gegensätzliche Theorie klingt überzeugender, weil sie sich durch historische. Dokumente beweisen lässt. Sie sagt, dass die ersten Juden sich in Großpoien und in ScWesien, dem so genannten "deutschen Gesetz", angesiedelt haben. Diese Länder waren sehr wichtig filr den mittelalterlichen, transeuropäischen Handelsweg, der sich von Spanien bis zur französischen Provence erstreckte.

Arabische und jüdische (nach dem Rodan, einem Fluss in Frankreich, benannte) KaufIllänner haben in slawischen Ländern die Sklaven gekauft. Außerdem brachten sie auch seidene Materialien, Wurzeln (Pfeffer, Safran, Ingwer und Muskatnuss) aus Afrika und Nahost nach Polen.

Wir müssen uns an dieser Stelle daran erinnern, dass heide _onzeptionen in der Zeit entstanden sind, als der Antisemitismus in Form des so genannten "jüdischen Problems" weite Verbreitung fand. Der Antisemitismus der westlichen Händler, der die Juden als Feinde brandmarkte, ist aus dem ökonomischen Interesse jener herzuleiten. Dagegen war die "östliche" Idee darauf bedacht zu erinnern, dass Juden seit Jahrhunderten bodenständige Bewohner Polens waren.

Die jüdische Flüchtlingen Osten begann etwa zwischen dem XII. und XIII. Jh., also noch vor der mongolischen Invasion, und hat kontinuierlich bis zum XIV. Jh. gedauert. Flankiert wurde diese Wanderung der jüdischen Bevölkerung mit unbekanntem Ziel durch das so genannte Siedlungsfieber, dass im XIII. und XIV Jh. vor Allem von deutschen und niederländischen Bevölkerungsteilen getragen wurde. ObwoW andererseits, was den Antisemitismus anbelangt, schon seit langer Zeit ein Zusammenhang zwischen dem ökonomisch motiviertem Antisemitismus und dem christlichen Antisemitismus festzustellen war.
Die erste Privilegien bekamen die großpolnischen Juden im Jahre 1264. Sie hatten das Recht frei in Polen zu reisen. Außerdem konnten sie Handelsgegenstände und Immobilien verkaufen und leihen. Darüber hinaus hatten sie das Recht auf freie Entfaltung der jüdischen Religion.

Die gesamte Geschichte der Juden in Polen spiegelt die Situation der anderen europäischen Juden wieder. In Polen waren die Juden vornehmlich FinanzexjJerten, Bankiers, Fiskalbeamte, Geschäftsleute und Mincer. ObwoW nur Wenige von ihnen wirklich reich waren, gab es Neid und den Widerwillen der polnischen Bürger und Kaufmänner, der zu vielen Pogromen und Verfolgungen fiihrte. Zudem wurde die jüdische Bevölkerung auch oft aus religiösen Gründen verfolgt. Dennoch unterschied sich die jüdische Bevölkerung in Polen von anderen jüdischen Siedlungen Europas. Sie war sehr orthodox geprägt und lässt sich dem traditionellen Milieu zuordnen. Obwohl die polnischen Juden in Polen gelebt und mit der nicht jüdischen, polnischen Bevölkerung manchmal zusammengearbeitet haben, fand eine Assimilation nicht in dem Maße wie zum Beispiel bei den deutschen Juden statt.

In fast jedem kleinen Dorf oder Stadt und in jeder größeren Stadt waren die Juden ghettoisiert. Sie hatten ihre eigenen Geschäfte, koschere Schlachthöfe, Synagogen, Schulen und Mikwen und schufen eine eigene von dem Leben der christlichen Nachbarn sehr verschiedene Welt. Kennenlernen kann man diese Welt unter Anderem in der zeitgenössischen Literatur zum Beispiel von I.B. Singer, I.L.Perec oder Sholem Alejchem. Sie ist nicht nur Ausdruck des damaligen Aberglaubens, der religiösen Gebote und Vorschriften und der temporären, religiösen Rituale, sondern auch voll von Witz und Zaubern, Welt.

"Unter den polnischen Juden war die kabalistische Bewegung sehr berühmt. Dementsprechend hat der Sabattanismus (abgeleitet von dem Wort Sabatai Cwi, einem falschen Messias, der im türkischen Smyrna erschienen sein soll) hier viele Anhänger gehabt.

Es gibt spezifische Bewegungen die in dem Milieu der polnischen Juden entstanden sind. Bis heute ist die jüdische Musik - zum Beispiel von Klezmer - weltbekannt. Die Juden in Polen hatten, neben dem Hebräischen, ihre eigene Sprache: das so genannte Jiddisch. Jiddisch ist eine jüdisch-deutsche Sprache (der Name ist eine Abkürzung vonjidish-dajcz), die ashkenazinische Juden benutzt haben. Sie wurde mit dem hebräischen Alphabet geschrieben; grundsätzlich aber war sie eine Redeprache, die manchmal als Jargon benutzt wurde. Es ist die Sprache der jüdischen Lieder und der chassidischen Erzählungen. Die berühmtesten jüdischen Schriftsteller, also Scholem Alejchem, I.L.Perec, Mendele Mojcher Sforim haben in jiddisch geschrieben.

Zwischen 1740 und 1745 ist die chassidische Bewegung entstanden. Ihr Begründer ist Dow Ber aus Miedzyrzecz; die grundsätzlichen Ideen stammen von Baal Shem Tow (d.b. Der Herr des guten Namen) aus dem südlichen Polen (Podole). Der Chassidismus ist eine religiöse Wiedergeburtsbewegung. Die Juden, die die Pogrome überlebten, aber geistlich und physisch schwer getroffen waren, nahmen diese Ideen auf. Die Baal Shem Tows-Anhänger haben Kabala interpretiert und meinten, dass Gott in allem Leben Erscheinungen gefunden haben soll, weil die Welt in ihm existiert und man ihm auch mit einfachen Arbeiten dienen könne. Die Chassiden haben an Spuren göttlicher Ausstrahlung in der Welt geglaubt, und sie glaubten, dass Gott auch in einer durch Tanz und Gesang erreichbaren Ekstase, sogar durch Alkohol- und Tabakbenutzung, erfahrbar sei. Auch durch geistige und finanzielle Unterstützung der Armen fanden ihre Ideen Verbreitung. Jede chassidische Gesellschaft bildete sich um einen charismatischen "Führer", den so genannten Tzadik. Nach der Vorstellung der Chassiden verfUgte Tzadik über magische Kräfte und war ein Verbindungsglied zwischen Gott (dem Metaphysischen) und der Welt (dem irdischen Leben). Sie hatten eine eigene Synagoge und eigene Liturgie.

Die so genannten Mitnagdirn ,die Gegner der chassidischen Bewegung haben oft versucht sie zu verbannen, aber die Chassiden fanden eine große Anhängerschaft, so dass Anfang des XIX Jh. fast in jedem kleinen Dorf ein chassidischer Hof existierte. Die chassidischen Ideen blieben sogar bis ins 20. Jh. lebendig, und besonders in Israel gibt es auch heute noch viele Anhänger einzelner Tzadiken.

In Europa aber wurde diese vielfaltige Kultur durch den Holocaust und die industrielle Vernichtung der europäischen Juden durch Nazideutschland vollständig zerstört.