Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit
mit Israel im Kreis Wesel e. V.

Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit mit Israel e. V.

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Polen 2002
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Jüdisches Kulturzentrum Krakau

Begrüßung

Wir wurden von dem Leiter des Jüdischen Zentrums begrüßt. Leider hatten wir nur wenig Zeit, dass wunderschöne Gebäude zu besichtigen. Deshalb an dieser Stelle einige Zusätzliche Informationen.

Sitz des Zentrums ist das Gebetshaus (Bejit ha-midraasch), das in den 8Der Jahren des 19. Jahrhunderts von der Jüdischen Gebets- und Wohlfahrtsgesellschaft gebaut wurde. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erfüllte das Haus religiöse Funktionen. Seit Anfang der 8Der Jahren war es eine verlassenen Ruine. Eine gründliche Erneuerung und Modernisierung, durchgeführt in den Jahren 1989 1993, wurde möglich dank der finanziellen Hilfe des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika, vermittelt durch die Gemeinsame Polnisch-Amerikanische Kommission für Humanitäre Hilfe in Warschau.

Das Zentrum begann seine Tätigkeit am 24.November 1993. Das Zentrum ist ein öffentlicher Ort. Das Programm richtet sich an das jüdische Publikum ebenso wie an das nicht jüdische, sowohl das polnische, als auch das ausländische. Das Programm setzt sich zusammen aus Vorträgen, Begegnungen mit Autoren, Buchpräsentationen, Konferenzen und Seminaren, Sommerprogrammen, Filmvorführungen, Konzerten sowie Ausstellungen.

Als Bürgerinitiative im weitesten Sinne lässt sich am besten dieses Unternehmen beschreiben; dessen Hauptziele sind der Schutz des jüdischen Erbes im Krakauer Stadtteil Kazimierz und die Aufrechterhaltung des Gedankens an die Jahrhunderte währende Anwesenheit der Juden in Polen sowie an die polnisch-jüdische Nachbarschaft und die Verbreitung des Wissens über
die Geschichte und die Kultur.

Darbietung von zwei Filmen

Es wurden uns zwei Archivfilme gezeigt.

Der erste Film zeigte das Leben in Krakau und Kazimierz vor dem, zweiten Weltkrieg. Der Text wurde in jiddisch gesprochen, zur Erläuterung dienten englische Untertitel. Es wurden das Leben auf der Straße, Wohnhäuser, soziale Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude und Synagogen gezeigt.

Der zweite Dokumentarfilm zeigte ein Abriss des jüdischen Lebens in Polen vom 13.Jahrhundert bis zur Gegenwart. Die Darstellung erfolgte anhand von Bildern aus der Kunstausstellung "Der unerwartete Gast" von Dr. Marek Rostworowski im Nationalmuseum aus dem Jahre 1989. Der Film zeigte, dass vor dem ersten Weltkrieg die Juden ein Teil der Bevölkerung in Polen waren. Sie nahmen am wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Leben teil. Während der russischen Besatzung fanden die ersten Progrome statt. Nach dem zweiten Weltkrieg zogen Polen in die freigewordenen Wohnungen in Krakau und, Kazimierz. Heute sehen die Polen Juden aus der "Distanz", sie sind ein "unerwarteter Gast" geworden.

Titel des Filmes: "Der unerwartete Gast", ein Film von William Brand, 1996, Produktion FFFZ Film Funk Fernseh Zentrum der Evangelischen Kirche im Rheinland Düsseldorf, 28 Min., Farbe, VHS, Fax 0211/4580-200, TeI.0211/4580-250

Bericht des Zeitzeugen Tadeusz Sobolewicz

Fast alle von uns hatten bereits Berichte von Zeitzeugen gehört, aber bei jeder neuen Begegnung mit den unfassbaren Gräueltaten entsteht immer wieder ein bedrückendes Gefühl im Vorfeld.

Tadeusz Sobolewicz fing sofort an, zu erzählen: In fließendem Deutsch begrüßte er uns, ein freundlicher, agiler älterer Herr. Seine Erzählweise war sehr anschaulich, ging unter die Haut. Immer wieder sprang erwährend seines Vortrags auf, seine Figur straffte sich, er schlug mit der Faust auf den Tisch. Man spürte seine Betroffenheit auch noch nach den vielen
Jahren.

Doch es sprach nicht Hass aüs ihm oder der Wunsch nach Vergeltung. Sein Bericht hatte für ihn den Zweck, dass das Geschehene nicht in Vergessenheit gerät.

Er wurde 1924 in Poznan (Posen) geboren. Bis zu seiner Verhaftung durch deutsche Besetzer besuchte er dort das Gymnasium. Er wurde als Siebzehnjähriger 1941 als Verbindungsmann einer Widerstandsgruppe verhaftetEr half seinem Vater, einem polnischen Offizier, bei der Verteilung von Flugblättern und Zeitungen gegenßie deutschen Besetzer. Er berichtete über seine Odyssee durch die Konzentrationslager Auschwitz, in dem er seinen Vater starb, Buchenwald und Flossenbürg sowie durch die sogenannten Außenlager Leipzig, Mülsen und Regensburg. Durch eine Vie1zahl von Zufällen überlebte er.

Er erzählte, dass er in Auschwitz die Nummer 23053 erhielt, von der Begrüßung durch den Hauptsturmführer Grätsch. Wieder sprang er auf mit zackiger Bewegung. "Hier wird gearbeitet, der Jude 14 Tage, Priester 4 Wochen, die anderen 3 - 4 Wochen und dann geht es ab durch den Kamin." Er erfuhr, dass neben der SS dje größten Feinde im Lager der Hunger und die Läuse waren. Er bekam Fleckfieber, nach dem Tod seines Vaters wollte er sich das leben nehmen. Er wurde, immer wieder bis an seine körperlichen und psychischen Grenzen getrieben, doch er fand auch immer wieder Menschen, die ihm der Not halfen, Polen, Juden oder Deutsche. Eines Tages habe ihm ein Häftling eine goldene Uhr in die Hand gedrückt. Geld und Gold eröffneten ihm Wege, zu überleben, genauso wie mehr Brot, Medizin oder eine bessere Arbeit. Nach dem Aufstand im lager Birkenau konnte er sich aus den brennenden Waschräumen retten. Mithäftlinge versorgten seine Wunden. Er hätte die Qualen nur durch die Solidarität der Mitgefangnen überleben können. manchmal durch Glück und er half selbst, wenn es ihm möglich war, auch wenn er sich dabei oft selbst in Gefahr brachte.

Kurz vor Kriegsende gelang ihm während eines der berüchtigten Todesmärsche durch Bayern die Flucht. Bei Bauern des Dorfes Muttering fand er Unterschlupf, bis er von Soldaten der US-Army befreit wurde.

Nach seiner Befreiung wollte er eigentlich in Deutschland bleiben, weil er, der polnisch-katholische Widerstandskämpfer, sich nicht mit dem in Polen installierten kommunistische Regime anfreunden konnte. Er half, dass Polen sich ins Ausland absetzen konnten. 1947 ging er dann doch nach Polen zurück, weil seine Mutter das KZ Ravensbrück überlebt hatte. Er lebte bei ihr, machte das Abitur nach, studierte Philosophie und Kunstgeschichte und ließ sich als Schauspieler ausbilden. Er arbeitete mit großem Erfolg an den wichtigsten Bühnen seines Landes. Die Schauspielkunst habe es ihm ermöglicht, seine Geschichte, sein Leben und das Leid zu verarbeiten und abzuarbeiten.

Bei einem Besuch der Stadt Hiroshima, welche er aufgrund einer Einladung besuchte, war er beeindruckt von dem leiden der Opfer des Atomangriffs.

Er endet seinen Vortrag mit einem Appell an uns: "Warum, wozu und wie lange noch entwickelt der Mensch Waffen? Nach der Wiedervereinigung sind sie ein Volk von 80 Millionen. Nehmen sie ihre politischen Einflussmöglichkeiten wahr. Sie sind sehr groß. Wir haben schon zusammen gearbeitet für den Frieden im Kosovo, deutsche und polnische Soldaten. Unter dem Faschismus leiden alle Völker. Nehmen sie ihr Wissen über alles, dass es sich nicht wiederholt. Man muss Mensch bleiben, immer
und in jeder Situation.

Sein Appell hinterließ einen tiefen Eindruck bei uns allen.