Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit
mit Israel im Kreis Wesel e. V.

Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit mit Israel e. V.

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PERACH-Projekt Israel 1978
Die Anreise
Universität Haifa, Besuch des PERACH- Projektes
Besuch von
Besuch von
Besuch des Jugendamtes der Stadt Haifa
Nazareth
Gespräch mit PERACH-Vertretern
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Bericht über das PERACH-Projekt Israel 1978

Die Anreise

Frühmorgens in Moers vor den Kaufmännischen Schulen: alle sind da, nur Sandro und Heike fehlen und damit die Flugtickets. Schade eigentlich, es hätte so schön werden können. Die Busfahrer werden schon langsam grantig, aber da kommen die beiden, mit Tickets. Ufft! Also, es kann losgehen.

In Düsseldorf dann das Wunder: weder der groß angekündigte Sicherheitscheck des Gepäckes noch Befragungen. Wir fliegen halt mit Swiss-Air ...

In Tel-Aviv angekommen wird unsere Geduld arg strapaziert: die Paßkontrolleure brauchen ewig lange. Dann fehlt ein Gepäckstück. Dann, schon kurz vor unserem Zielort Beit Oren ist plötzlich die Zugangsstraße von Polizei gesperrt. Also müssen wir durch die Rush-Hour von Haifa. Endlich in Beit Oren angekommen sind wir so erledigt, daß das Vorstellungsgespräch mit Hanna und Joav über die Arbeit von Dialog sehr kurz ausfällt.

Nach dem Frühstück erklärt uns Joav etwas zum Kibbutz Beit Oren, der keiner mehr ist. Gegründet 1939 von ca. 40 Personen und sehr wichtig bei der Unterbringung der "illegalen Einwanderer", die in der britischen Mandatszeit per Boot in Halfa und Umgebung eintrafen ist er nun als Kibbutz gescheitert, weil er sich als landwirtschaftlicher Betrieb und als soziales Gefüge nicht hat halten können. Er wurde umgewandelt in eine Art Kooperative. Das Standbild im Kibbutz soll die Kontinuität von Propheten, die ja auch häufig im Karmelgebirge in Höhlen lebten, und den sozialistischen Kibbuzniks darstellen.


Universität Haifa, Besuch des PERACH- Projektes

Nach der gegenseitigem Vorstellung erklären uns zwei Koordinatorinnen von Perach-Halfa Tami und Givat einiges zur Arbeitsweise von Perach im Allgemeinen und Perach in Halfa im Besonderen.

Die Universität in Haifa hat insgesamt 14.000 Studentlnnen hauptsächlich in den Fachbereichen Humanwissenschaften und Sozialwissenschaften. 3.500 Studentlnnen an der Uni Haifa sind israelische Araber aus dem Norden Israels. Allgemein ist das Einzugsgebiet der Studentlnnen in Haifa der Norden Israels. Es gibt in Haifa außerdem noch eine eigene Technische Hochschule, das Technion. In Israel gibt es außer Halfa noch Universitäten in Jerusalem (2), Tel-Aviv (2) und Beer-Sheva.

Wir sitzen in dem Raum von Perach, in dem in vielen Regalen Materialien, Spiele und Bastelanleitungen für die TutorInnen ausliegen. Hier treffen sich die Tutorlnnen mit ihren Koordinatorlnnen sowohl zu den ersten Kennenlern-Interviews als auch später zu den Beratungsgesprächen. Auch während unseres Gespräches sitzen an mehreren Tischen diese "Paare" und unterhalten sich angeregt.

Der Hauptbestandteil der Perach-Projekte ist die 1: 1 Arbeit "big brother/sister", also der TutorInnen mit jeweils einem Kind. Sie macht ca. 80-90 % der Arbeit von Perach aus. Die beteiligten Studentlnnen begleiten über ein Studienjahr (d.h. 9 Monate, vom Beginn des Wintersemesters bis zu den Sommerferien) ein Kind im Alter von 10- 12 Jahren. Sie treffen sich zweimal in der Woche mit dem Kind und einmal im Monat mit ihren Koordinatorlnnen. Die Kinder kommen aus Haifa und Umgebung. Ansonsten gibt es das Projekt Natur. In diesem Projekt machen zwei Studenten einmal in der Woche einen Ausflug mit zwanzig Kindern in die Natur. Diese Kinder kennen kaum ihre weitere Umgebung und freuen sich, etwas unternehmen zu können. Daneben geht es bei den Ausflügen wn ein Kennenlernen von Natur und ums Erlernen sozialer Fähigkeiten. Das Projekt Wirtschaft findet in Schulen statt, wo zehn bis fünfehn Kindem Grundbegriffe von Finanzen und Ökonomie vermittelt werden. Außerdem gibt es ein Projekt Ökologie In diesem Projekt wird den Kindern Wissen zur Luftverschmutzung, Recycling, Abfalltrennung etc. an einem Tag im Rahmen der Schule vermittelt. - Ein erstaunliches Projekt fär Israel, wo Ökologie noch überhaupt nicht im Bewußtsein der Bevölkerung angesiedelt ist! Im Perach-Raum der Uni bieten jeden Tag vier Studentlnnen Spiele für Kinder an.

Die 62 Perach-Koordinatorinnen in Haifa betreuen je 50 Tutorlnnen, die wiederum 50 Kinder betreuen. Im September beginnt das Perach-Jahr mit dem schwierigsten Teil: dem Auswählen der Kinder und der passenden Tutorlnnen. Jeder Koordinatorln ist eine Schule zugeordnet, in der die Rektoren Kinder für Perach vorschlagen Die Koordinatorinnen fuhren auf diese Vorschläge hin Gespräche mit den Kindem und deren Familien in Hausbesuchen. Dann wird ein passendes Gegenüber unter den Tutorlnnen ausgewählt, die sich zuvor vorgestellt hatten. Die Koordinatorlnnen halten Kontakt zu den Kindern über die Schulen, zu den Familien in größeren Abständen und monatlich mit den Tutorlnnen.

Voraussetzung um Perach-Koordinatorln zu werden ist, daß man erfolgreich Perach-TutorIn war. Am Ende des Jahres gibt es einen Perach-Tag an dem eine Art Kirmes besucht wird. Die Tutorlnnen erhalten für ihre Arbeit den Erlaß von 43 % der Studiengebühren. Dies wird alle drei Monate abgerechnet, damit bei fehlendem Engagement das Tutorium auch frühzeitig beendet werden kann. Nach dieser Einführung führen uns Tami und Givat durch die Räumlichkeiten von Perach. In den Schränken sehen wir die Materialien wie Videos, Spiele, Materialien für Ausflüge, Bücher und einen Computerraum für Computerspiele. In einem Extrabüro sitzt die zuständige Supervisorin und die Psychologin. Auch die Managerin hat einen Büroraum für sich, neben dem allgemeinen Büro mit den Akten von den Kindem und Tutorlnnen. Perach arbeitet bewußt nur in Kooperation mit den Schulen und nicht mit dem Jugendamt (bis auf Ausnahmen), da sie eine Verunsicherung der Familie durch ein Öffentlichmachen ihrer Probleme vermeiden will.Wir sind zu einer ungünstigen Zeit zu Besuch, da gerade jetzt noch viele Interviews der Anfangsphase stattfinden und alle Kräfte der Koordinatorlnnen gebunden sind.

Nach der Verabschiedung zeigt uns Joav das Gelände der Uni Halfa, mit dem herrlichen Blick auf die Stadt und den Hafen. Außerdem haben wir die Möglichkeit das archäologische Museum der Uni zu besuchen und den Uni-Shop.


Besuch von "Memehiot"

Besuch von "Memehiot", einem Erziehungszentrum für ausländische und äthiopische Jugendliche, in einem Vorort Haifas

Unser Besuch des Erziehungszentrums Memehlot gliederte sich in zwei Abschnitte:

1. Die pädagogische Mitarbeiterin Susan Wiger berichtete über das Zentrum im Allgemeinen, die Schüler und ihre Arbeit.

2. Anschließend erzählten zwei junge Erwachsene Äthiopier, die selbst in Memehiot aufgewachsen waren, über ihre Beweggründe der Immigration, und die Bedeutung von Memehiot für sie persönlich.

Zu 1.:

Die pädagogische Mitarbeiterin Susan Wiger stellte sich vorab persönlich vor: Sie ist vor 12 Jahren aus den USA nach Israel eingewandert, da sie von jeher eine starke jüdische Identität besaß. Ihr Zugehörigkeitsgefühl zum Volk Israel war allerdings mehr durch ihre Kultur und Abstammung begründet, als durch die Religion.

Seit 1990 arbeitet sie in Israel mit äthiopischen Flüchtlingen, seit 1991 hauptsächlich mit einem Teil der Menschen, die in der "Aktion Salomon" innerhalb von 24 Stunden aus Äthiopien nach Israel geflogen worden waren. Die Einwanderer wurden in den ersten Wochen nahezu überall untergebracht: in privaten Unterkünften, Hotels, Kibbuzim, Einwandererlagem. Die Äthiopier, die viel erleiden mußten, um nach Israel zu kommen, kamen aus zionistischen Gründen: sie besaßen eine starke jüdische Identität, da sie in ihrer Heimat über Jahrhunderte ein sehr isoliertes Leben geführt hatten. Sie hatten keine Kenntnisse über das Land Israel, über das moderne Leben, den Staat, die Wirtschaft etc.; allein vom "alten Jerusalem" besaßen sie anhand von jahrhundertelalten Überlieferungen ein bestimmtes Bild.
In dem Zentrum leben 500 Schüler zwischen 13 und 19 Jahren. 30 % kommen aus den GUS-Staaten, 40 % aus Äthiopien, der Rest kommt aus Brasilien, den USA, England etc.. Die äthiopischen Bewohnern sind z.T. Waisen oder alleinstehende Kinder, ein weiterer Teil kommt aus Familien aus schlechten sozialen Verhältnisssen. Deren Familien möchten ihren Kindern bessere Möglichkeiten geben, sich in die israelische Gesellschaft zu integrieren. Bei dem Rest der Jugendlichen handelt es sich um sog. "zionistische Abgesandte" aus Familien, deren Eltern noch in den alten Heimatländern leben. Zusammenfassend kann man also sagen, daß in dem Zentrum Kinder leben, denen entweder "nichts anderes übrig bleibt" oder aber aus einem intensiven jüdisch-zionistischen Gefühl dort leben möchten.

Die "Philosophie", die hinter "Memehiot" steht, besteht nach Susan Wiger darin, in dem Zentrum nicht nur eine Schule oder Internat zu sehen, in dem die Kinder einen Teil ihres Lebens verbringen. Memehiot möchte stattdessen den Schülem das Gefühl eines dauerhaften Zuhauses bieten. Deshalb kann jeder, der die Schule abgeschlossen hat, wieder in sein Heimatland faft oder ins Militär geht, anschließend wieder zurückkommen. Itzhak und Alon, die anschließend von ihrer Herkunft und dem Leben im Jugenddorf berichteten, bestätigten dieses Heimatgefühl. Itzhak ist z.B. nach seiner Militär- und Ausbildungszeit wieder dorthin zurückgekehrt, und hat dort eine Frau von "außerhalb" geheiratet. Die Schule ist bewußt ein religiöses Internat. D. h. die Kinder lernen die Geschichte, Kultur und Religion ihres Volkes und werden religiös erzogen, ohne aber ihnen ein religiöses Leben aufzuzwingen. Später kann jeder selbst entscheiden, inwieweit er sein religiöses Leben lebt.

Zu 2.:

Der ehemalige äthiopische Flüchtling Itzhak stellte seinem Bericht ein Zitat des Propheten Jeremia vorweg: "Eines Tages werden alle Juden aus der Diaspora nach Israel zurückkehren."

Einleitend stellte er grundsätzlich fest, daß es zwei Gründe für die Rückkehr nach Israel gebe: entweder leben Juden unter "feindlichen Verhältnissen" und versuchen diesen zu entfliehen, oder aber sie wollen "freiwillig" ins gelobte Land gehen. Daraufhin erzähte Itzhak seine persönliche "Allijah"-Erfahrung. Er gehörte zu der ersten Einwanderungsguppe aus Äthiopien. Als er 10 Jahre alt war, anderte seine Familie mitsamt aller Dorfbewohner durch das halbe Land, immer auf der Suche nach Israel und vollkommen in Unkenntnis der "Aktion Salomon" seitens der israelischen Regierung. Allein durch Zufall gerieten sie an einen Militärposten, der seine Sippe zu den Flugzeugen ins gelobte Land brachte. Seine Geschichte war für uns sehr bewegend, doch leider zu lang, um hier wiedergegeben zu werden. In Israel angekommen wurde er letztendlich mit 13 Jahren in dem Jugenddorf Memehiot untergebracht.
Der ebenfalls aus Äthiopien stammende Alon lebte ebenfalls seit dem 13. Lebensjahr in Memehiot. Wie Itzhak war er zu der Zeit (1981) noch Analphabet. Alon betrachtet das Jugenddorf als eine Art "Konzentrat" der zionistischen Aufgabe des Staates Israel. Zur o.g. "Philosophie" des Jugenddorfes gehört überdies, die Identität des Herkunftslandes der Einwanderer zu stärken, statt abzuschneiden. Die Einwanderer sollen weiterhin ihre Sprachen pflegen, den Kontakt zu Verwandten in ihren Herkunftsländem halten, ihre spezifischen kulturellen Riten fortführen usw.

Abschließend führte uns Alon durch das Jugenddorf, bei dem wir ebenfalls die Synagoge
und die derzeit aufgebaute "Sukka" (Laubhütte) für das Laubhüttenfest von innen besichtigen durften.


Besuch von "Memehiot"

Die Werkstatt liegt in einem Industriegebiet von Haifa auf einem umzäunten, aber nicht verschlossenen Gelände. In dem eingeschossigen Gebäude, um das herum kaum Freiflächen sind, befinden sich die Gruppenarbeitsräume, ein Büro, das Eßzimrner mit Küche, Toilettenräume, Abstellkammern und der Clubraum/Aufenthaltsraum (mit Fernseher). Da der Leiter der Einrichtung gerade im Urlaub war, kümmerte sich einer der Mitarbeiter um uns.
In der Werkstatt sind 40 Personen zwischen 20 und 50 Jahren beschäftigt, die in drei Gruppen arbeiten. Sie sind alle geistigbehindert, aber doch relativ fit, wohnen bei ihren Familien oder in speziellen Heimen. Morgens um 7.30 Uhr kommen sie mit Bussen, um 15.00 Uhr ist Feierabend, von Freitag bis Sonntag haben sie Wochenende. Für ihre Arbeit bekommen sie einen geringen Lohn zur Motivation.

Die Behinderten führen die verschidensten Aufgaben und Tätigkeiten aus, z. B. Dochte in fertige Kerzen stecken, Kerze in eine Hülle schieben und in Kartons verpacken (Erinnerungskerzen für Rabin), Schrauben und Scheiben zusammensetzen, Schrauben in Scharniere klopfen, Maschinenöl in Fläschchen füllen. Manchmal gibt es auch Aufträge mit elektronischen Teilen. Die Aufträge kommen von der Industrie, die dafür auch etwas Geld zahlt. Dazu hält der Direktor der Werkstatt die Beziehungen zu den entsprechenden Fabriken und Firmen und fragt nach geeigneten Aufträgen. Normalerweise gibt es auch genug zu tun, wenn nicht, werden z.B. Videofilme geguckt oder Ausflüge gemacht.

Die Finanzierung der Werkstatt geschieht neben den Einnahmen durch Arbeitsaufträge durch das Wohlfahrtsministerium, die Stadt Haifa und durch Spenden, z.B. vom Amerikanisch-Israelischen Verein.

Das Mittagessen wird in der Einrichtung selbst gekocht, wozu eine gut ausgestattete Küche zur Verfügung steht, die Behinderten helfen manchmal auch bei der Zubereitung. Die gute Beziehung zwischen den Betreuern und den Behinderten wurde mehrfach betont, die ganze Atmosphäre schien auch sehr locker und entspannt zu sein. Zu den Familien bzw. den Heimdirektoren der Betreuten besteht auch eine gute Beziehung, man hat regelmäßigen Kontakt und Austausch über die Behinderten.

Für geistigbehinderte Kinder und Jugendliche gibt es in Israel auch Schulen, auf unsere Frage nach der Schulpflicht (die in Deutschland für jedes Kind besteht!) bekamen wir aber keine eindeutige Antwort. Da den Geistigbehinderten im kognitiven Bereich (u. a. im Erlernen der Kulturtechniken) gewisse Grenzen gesetzt sind, stehen als Förderungsziele die Selbständigkeit (beim Waschen, Essen, bei der Orientierung) und die motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Vordergrund. Man beobachtet z. T., daß bei den russischen Einwanderern die Geistigbehinderten scheinbar fitter sind, sie z.B. etwas lesen können; u. U. wurden sie in ihrer Heimat mehr gefördert und auch getrimmt, schärfer und disziplinierter behandelt.
Die Behinderten sind oft schwer zu verstehen, aber mit der Zeit gewöhnen sich Betreuer und Betreute so aneinander, daß sie sich gegenseitig verstehen, manche der Behinderten sind schon 15 bis 20 Jahre in der Werkstatt beschäftigt. Die meisten der Behinderten können ihre Wünsche und Bedürfnisse, ihre Stimmungslage und Gefühle ausdrucken und werden auch verstanden, wenn sie gar nicht reden können.

Es gibt noch ca. 5 weitere ähnliche Einrichtungen in der Gegend von Haifa, deren Betreute aber z. T. schwerer behindert sind. Mit 60 bis 65 Jahren werden die Behinderten pensioniert und die Regierung sorgt/zahlt dann für sie.

Das Gelände der Werkstatt liegt mitten in einem Industriegebiet von Haifa, was auf den ersten Blick nicht gerade sehr einladend wirkt. Aber vielleicht drückt sich hierin die Annäherung an ein möglichst normales Arbeitsleben aus - zumindest mit der Umgebung, mit der Nähe zu anderen Arbeitsplätzen. Allerdings ist uns auch von Problemen mit Einbrechern erzählt worden, die übers Dach kamen und fünf Klimaanlagen geklaut haben, was vielleicht auch am Umfeld der Werkstatt liegt.

Auf unsere Frage nach der Haltung der Bevölkerung gegenüber Behinderten wurde uns berichtet, daß man zwar die Probleme kennt, aber am liebsten selbst möglichst wenig oder gar nichts damit zu tun haben möchte. Außerdem sei die Haltung auch abhängig von der Umgebung und sozialen Schicht. Menschen mit höherem Niveau haben i. d. R. eine bessere Beziehung zu Behinderten, während einfache Leute damit oft mehr Probleme haben. Traditionelle Familien behalten ihre behinderten Angehörigen oft Zuhause, versorgen sie mit allem, was sie brauchen, lassen sie aber auch kaum an die Offentlichkeit, weil sie sich für si
schämen.

Nach dem kurzen Einblick in diese Werkstatt für Behinderte hatte man den Eindruck, daß die Arbeit dort schon vergleichbar ist mit ähnlichen Einrichtungen in Deutschland. Besonders aufgefallen ist die ruhige Atmosphäre in der Werkstatt, kein Lärm, keine distanzlosen oder überneugierige Behinderte, keine Hektik und kein Streß. Die Einrichtung ist klein und überschaubar und es läßt sich nett in ihr arbeiten.


Besuch des Jugendamtes der Stadt Haifa

Besuch der Abteilung des Jugendamtes der Stadt Haifa
und Begegnung mit den Mitarbeitern der Abteilung "Jugend in Not"

Planmäßig um 16.00 Uhr erfolgte die Begegnung mit Mitarbeitern des Projektes "Jugend in Not" einer Abteilung des Jugendamtes der Stadt Halfa. Herr Almok, stellv. Geschäftsstellenleiter, begrüßte uns und stellte uns vier seiner Kollegen vor. Zehn Sozialarbeiterlnnen und Sozialpädagogenlnnen, sowie. ca. 20 neben- und ehrenamtliche Mitarbeiterlnnen sind im rahmen des Projektes "Jugend in Not" beschäftigt. Herr Almok und Herr Kursli erläuterten kurz die Arbeitsbereiche der Mitarbeiterlnnen des Projektes "Jugend in Not": soziale Arbeit mit drogenabhängigen Jugendlichen soziale Arbeit mit Jugendlichen jüdischen Einwanderern soziale Arbeit mit straffälligen Jugendlichen soziale Arbeit mit Jugendlichen ohne festen Wohnsitz Die Zielgruppe der Abteilung "Jugend in Not" sind Jugendlichen der Nordstadt Halfas, die i. d. R. auffällig geworden sind. Die Jugendlichen sind zwischen 14 - 18 Jahre alt. Die Majorität des Klientels bilden Jugendliche Israeli, arabischer Herkunft, sowie Jugendliche Israeli, die als jüdische Einwanderer aus den GUS-Staaten stammen.

Zur Zeit gibt es drei Projekte in den verschieden Vierteln der Nordstadt von Halfa; eins im arabischen Viertel, zwei im Viertel, in dem die vielen jüdischen Einwanderer aus den GUS-Staaten leben. Das Kollegium des Projektes "Jugend in Not" besteht aus Angehörigen der vielen verschiedenen Glaubens- und Kulturrichtungen der in Israel lebenden Menschen, um so die jeweiligen Glaubens- und Kulturspezifischeen Probleme der Jugendlichen zu kennen. Die Mitarbeiter suchen die Jugendlichen i. d. R. auf den Straßen, im jeweiligen Viertel auf, die Räumlichkeiten der Abteilung des Projektes "Jugend in Not" bilden eine Art Basisstation.

achdem uns ein theoretischer Überblick über die Arbeit der Abteilung vermittelt wurde besuchte die Gesamtgruppe das Projekt "Kampfsport statt Drogen". Dieses Projekt richtet sich an die Gruppe der jüdischen Einwanderer aus den GUS-Staaten. Der Mitarbeiter Herr Almok erläutertete die päd. Hintergründe dieses Projektes.

Im Anschluß daran teilte sich die Gruppe in Kleingruppen auf, um die jeweils verschiedene Projekte in der Nordstadt Haifas vorgestellt zu bekomen:

Betreutes Wohnen im arabischen Viertel der Nordstadt Haifas

Der Mitarbeiter zeigte uns die Wohnung eines jungen Israeli, arabischer Herkunft. Dem Jugendlichen wird durch dieses Projekt ermöglicht unter sozialpädagogischer Betreuung die Fähigkeit zu erlangen, sein Leben in Zukunft eigenverantwortlich zu gestalten.

Bürgerzentrum im arabischen Viertel der Nordstadt Haifas

Das Bürgerzenüm i. d. R. eine Grundschule. Nachmittags ab 15.00 Uhr werden dort
verschiedenen Aktivitäten angeboten, diese reichen von Sprachkursen, Hausaufgabenbetreuung, Kreativangeboten und freizeitpädagogischen Aktivitäten.

Bürgerzentrum im südöstlichen Teil von Haifa, für Einwanderer aus den GUS-Staaten

Das Stadtteilzentrum bietet den Jugendlichen div. Angebote an, wie z .B. Hausaufgabenbetreuung, Werkstatt für den Holz- und Metallverarbeitenden Bereich und Computerkurse, des weiteren einen Sportraum.

"Hilah" - Hauptschulabschlußprogramm für Jugendliche ohne Schulabschluß

Jugendliche ohne Schulabschluß erhalten hier die Möglichkeit, durch eine 1: 1
Betreuung, d. h. pro SchülerIn ein Lehrer, einen Hauptschulabschluß nachzuholen. Das Angebot wird zur Zeit von 25 Schülerlnnen im Alter von 15-18 Jahren wahrgenommen.


Nazareth

Nach einer kurzen Fahrt erreichten wir auf dem Weg nach Tibeeias, dem nächsten längeren Aufenthaltsort Nazareth. Der erste Eindruck wischte die letzten Vorstellungen einer kleinen Siedlung aus der Zeit des Neuen Testamentes vollständig weg, Nazareth liegt in einem Tal und seine Randzonengebiete erobern mehr und mehr die angrenzenden Hügel und Berge. Zum ersten Eindruck gehört auch der, daß diese Stadt touristisch gut erschlossen ist. Im Stadtzentrum begann zunächst die Suche nach dem Gebäude der Stadtverwaltung. Als wir dieses erreichten, und endlich den Ort der Begegnung fanden, erwarteten uns mehr Menschen als gedacht. Zum Empfang, und das war es schließlich auch, gehörten kleine süße Gebäckstücke und arabischer Kaffee. Es empfing uns der stellvertretende Bürgermeister, die Leiterin des Sozialwesen und einige ihrer Mitarbeiter der Stadtteilarbeit in Nazareth. Nachdem die Begrüßung vorüber war, sich jeder gestärkt hatte, konnten der Austausch beginnenen. Der stellvertretende Bürgermeister stellte zunächst seine Arbeit vor. Sein Hauptmerk differenziert sich in drei Punkten: 1. das Zusammenwirken von Arabern und Israelis, 2. die nähere Zukunft Nazareth als multikulturelles und religiöses Zentrum und 3. die dazu zu bereitenden sozialen Bedingungen.

1. Da Nazareth zu 60% von Arabern bewohnt ist, ist es dem stellvertretendem Bürgermeister, der selber Araber ist, ein Anliegen, daß es ihm gelingt, die Unterschiede (sozial, kulturell, religiös, politisch) zwischen der arabischen Urbevölkerung und den Israelis aus zu gleichen, und eine hohe Gleichberechtigung zu erreichen. Er sieht sein Anliegen von einer hohen politischen Bedeutung, da die israelische Regierung davon Vorteil ziehen könnte, wenn innere Angelegenheiten von allen Bevölkerungsgruppen ernst genommen und gelöst werden.

2. Die nähere Zukunft sieht der stellvertretende Bürgermeister sehr eindeutig in der Touristik. Nazareth erlebt geradezu einen Boom von Besuchern. Die Stadt hat neben historischen und archäologischen Sehenswürdigkeiten, auch eine hohe Bedeutung von religiöser Art. Christen, Moslems, Armenier usw., sehen hier ihre Wurzeln und Anbindung ihres Glaubens. Viele Besucher sind Pilger aus dem Ausland, die die Stätten ihrer religiösen Führer besuchen wollen. Daher sieht der stellvertretende Bürgermeister Nazareth im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit, und von einer großen internationalen Bedeutung. Die Stadt wird zur Zeit intensivst renoviert, infrastrukturell saniert und das Hotelnetz ausgebaut. Bis zum Jahr 2000, so heißt auch das laufende Gesamtprojekt, das sich in viele kleine auf splittert, sollen 170.000.000 Shekel in die Städteplanung investiert werden, um den abzusehenden Besucherstrom aufzufangen und das Erbe zu erhalten. In diesen ganzen Anregungen fließen auch die inneren Probleme der Stadt ein. Das Ausland ist interessiert daran, daß Nazareth für seine Millionen Besucher auch die Sicherheit bieten kann. An diesem Kernproblem arbeitet die Stadt sehr intensiv.

3. Zu diesem Punkt äußert sich die Leiterin des Sozialwesens und ihre Mitarbeiter. Jugendkriminalität, Arbeitslosigkeit, Perspektivenverlust und Entwurzelung stellen die Hauptprobleme der Stadt dar. Auf diese Probleme wird versucht angemessen einzugehen: durch Stadtteilarbeit (Zentren, Bildungsangebote etc.), Mädchen- und jungenspezifischer Arbeit (Bildung von Zentren mit spezifischen Bildungsangeboten). Streetwork und berufsvorbereitenden Bildungsangeboten.

Natürlich sind die Möglichkeiten finanziell (daher auch personell) stark begrenzt, aber die Stadtverwaltung ist sich bewußt, daß dort die Problemwurzeln liegen, denen die erwachsenen Einwohner später erhegen werden. Durch den Zusammenschluß der Bildungsangebote und der Begleitung soll sich die Sozialisation der Jugend positiv auf ihre Lebensperspektive auswirken.

Nach diesem Eindruck und vielen Fragen an die Mitarbeiter des Sozialwesens, verließen wir das Gebäude der Stadtverwaltung um eine Einrichtung zu besuchen, die Jugendliche auf ihren Beruf vorbereiten will. Unser Begleiter wurde später auch unser exzellenter Stadtführer. Die Einrichtung befindet sich auf einem ausgedehnten Gelände innerhalb der Innenstadt und beherbergt mehrere Gebäude, davon Gemeinschaftsgebäude, Unterrichtsräume und berufsspezifische Einrichtunuen. Begrüßt wurden wir mit einem arabischen Mittagessen. Nach dieser opulenten Stärkung wurden wir durch die einzelnen Einrichtungen geführt. Die Jugendlichen haben hier die Möglichkeit, angeleitet von professionellen Mitarbeitern, sich auf einen Beruf vorzubereiten und so für sich die Chancen zu erhöhen, später leichter eine Anstellung zu finden. Die Einrichtung unterhält eine Gärtnerei, eine Schreinerei, eine Schlosserei, eine Küche und eine Werkstatt. Zum Abschluß überreichten wir der Leiterin der Einrichtung ein Mitbringsel und bedankten uns für die ausführliche Darstellung ihrer Arbeit.
Unser Begleiter startete dann die Stadtführung. Da er selber in Nazareth aufgewachsen war, konnte er uns sehr eindrücklich auf Sehenswürdigkeiten, aber auch auf Mißstände aufmerksam machen. Wir begannen am Rande des alten, arabischen Marktes. Auf dem Weg dorthin stießen wir auf verschiedene Ausgrabungen und Sanierungen der Stadt. Unser Begleiter klärte uns auf, daß aufgrund dieser Grabungen die Archäologen die Überzeugung gewonnen hätten, daß Nazareth schon viel früher als bisher vermutet besiedelt war, wahrscheinlich schon zur Steinzcit. Wciter stellte cr anhand der laufendcn Samierungsarbcitcn, die zum Teil die lnfrastruktur der Stadt betrafen, aber auch die Wohnhäuser, die wachsende Unzufriedenheit der arabischen Bevölkerung dar. Oberflächlich werden die Häuser renoviert und wohnbar gemacht auf der anderen Seite verliert die Stadt dadurch ihr arabisches Gesicht, da die Häuser ihren ursprünglichen Charakter verlören und mit den sie umgebenden, moderneren Häusern angeglichen werden. So haben die Projekte verschiedene Seiten und Aspekte. Als nächstes besuchten wir künstliche Höhlengänge unter der Stadt und betraten den alten arabischen Markt. An verschiedenen Stellen konnte man noch sehen, wie der Markt früher überall ausgesehen haben mag.Die Abwässer fließen in einer Rinne offen die Straßen hinunter, die Häuser sind kaum bewohnbar und fallen in sich zusammen, die Straßen sind in einem schlechten Zustand.

Im Rahmen des Projektes 'Nazareth 2000' wird der arabische Markt vollständig saniert und renoviert. Die Geschäftsräume werden ausgebaut, die Häuserfronten angeglichen, die Straßen ausgebessert und die Kanäle unterirdisch verlagert. Weiter unten konnte man sich ein Bild des Marktes mit Betrieb machern. Einige Geschäfte waren trotz des Feiertages geöffnet und boten ihre Waren an. Wie hektisch muß an einem regulärenren Markttag zugehen, wenn erst der ganze Markt fertiggestellt ist? Neben diesen Eindrücken der Ausgrabungen, Sanierungsvorhaben und des alten Marktes konnten wir auch einige Kirchen besuchen und uns davon überzeugen, daß jede Religion hier ihr Kleinod besitzt.
Weiter ging es dann mit dem Bus nach Tiberias. Dieser Tag in Nazareth war sicherlich anstrengend und reich an Informationen, aber selten hat man die Gelegenheit als einfache Reisegruppe ein so differenziertes Bild einer Stadt zu bekommen wie an diesem Tag.

Gespräch mit PERACH-Vertretern


Debbie Chaski und Anat Hayout sind Vize-Managerinnen von Perach-Jerusalem. Sie waren erst Tutorinnen, dann Supervisorinnen und nun sind sie die stellvertretende Leitung von Perach Jerusalem. Perach hat auch in Jerusalem sein administratives Zentrum an der Universität.

Die Bevölkerungssituation in Jerusalem ist eine Besondere. Hier treffen sehr viele unterschiedliche Gruppierungen von Juden (Religiöse/nicht Religiöse), moslemische und christliche Araber sowie andere Christen aufeinander. Das schlägt sich auch in der Zusammensetzung der Gruppe der Perach-Tutorlnnen nieder, weil sie ja in den verschiedensten Familien aktiv werden müssen. Auch die KoordinatorInnen müssen in ihren wöchentlichen Treffen viel gegenseitige Toleranz aufbringen. Zumal in Jerusalem Perach auch häufiger mit den Auswirkungen von Terroranschlägen konfrontiert wird, was teilweise die Kooperation zwischen jüdischen und arabischen KoordinatorInnen erschwert. In Familien, in denen ein Kind durch einen Terroranschlag ermordet wurde, werden Perach-TutorInnen oft zur Unterstützung der Geschwisterkinder herangezogen, um sie aus dem lähmenden Umfeld der trauemden Eltem herauszuholen und mit ihnen auch fröhliche Dinge zu unternehmen. Es können in solchen Familien auch mehrere Kinder von jeweils einer TutorIn betreut werden (in anderen Familien ist dies auch möglich).

In Einzelfällen können Kinder auch mehr als ein Jahr von je einer Tutorln betreut werden. Dreimal im Jahr gibt es ein großes Perach-Treffen, davon ist ein Tag der Perach-Tag im Mai, an dem ca. 2.000 Kinder teilnehmen!

Bei Perach in Jerusalem arbeiten 6 arabische Koordinatorlnnen mit, es werden ca. 400 arabische Kinder von Perach Turorlnnen betreut. Die arabischen Studenten kommen meist aus Haifa, da die jerusalemer Araber meist im Westjordanland oder in Jordanien studieren. Es gibt Probleme bei der Akzeptanz von Jüdischen Einwanderer-Studenten aus der ehemaligen Sowjetunion in israelischen Familien. Sie sind bei der Allgemeinbevölkerung nicht beliebt. Es gibt merkwürdigerweise auch keine speziellen Projekte von Perach für Kinder aus Einwandererfamilien der ehemaligen Sowietunion, auch nicht speziell für äthiopische Kinder.
Am Ende des Gespräches entwickelt sich eine allgemeine Diskussion über die Situation der "Gastarbeiter" in Israel. Seit der "lntifada" und der damit verbundenen längeren Abriegelung der Westbank und der Nicht-Verfügbarkeit der billigen palästinensischen Arbeitskräfte mußte sich die israelische Wirtschaft (insbesondere im Bau-Bereich) langsam nach anderen billigen Arbeitskräften umsehen. Diese kommen nun aus Rumänien, Albanien und Thailand. Sie sind total primitiv untergebracht in Mehrbettzimmem und erhalten sehr niedrige Löhne. Es gibt Probleme mit der Überprüfung der Legalität ihres Aufenthaltes. Diese "Gastarbeiter" werden von den arbeitslosen jüdischen Neueinwanderern als Konkurrenz abgelehnt. Sandro bemerkte hier, daß die Situation in Israel bezüglich der "Gastarbeiter" der Anfangszeit der Anwerbung in Deutschland sehr ähnelt und sich Israel eines Tages vielleicht Tips zur Integration von "Gastarbeitern" bei uns holen kann.