Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit
mit Israel im Kreis Wesel e. V.

Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit mit Israel e. V.

  • Schrift vergrößern
  • Standard-Schriftgröße
  • Schriftgröße verkleinern
E-Mail Drucken PDF
Beitragsseiten
PERACH-Projekt Israel 1978
Die Anreise
Universität Haifa, Besuch des PERACH- Projektes
Besuch von
Besuch von
Besuch des Jugendamtes der Stadt Haifa
Nazareth
Gespräch mit PERACH-Vertretern
Alle Seiten

Besuch von "Memehiot"

Die Werkstatt liegt in einem Industriegebiet von Haifa auf einem umzäunten, aber nicht verschlossenen Gelände. In dem eingeschossigen Gebäude, um das herum kaum Freiflächen sind, befinden sich die Gruppenarbeitsräume, ein Büro, das Eßzimrner mit Küche, Toilettenräume, Abstellkammern und der Clubraum/Aufenthaltsraum (mit Fernseher). Da der Leiter der Einrichtung gerade im Urlaub war, kümmerte sich einer der Mitarbeiter um uns.
In der Werkstatt sind 40 Personen zwischen 20 und 50 Jahren beschäftigt, die in drei Gruppen arbeiten. Sie sind alle geistigbehindert, aber doch relativ fit, wohnen bei ihren Familien oder in speziellen Heimen. Morgens um 7.30 Uhr kommen sie mit Bussen, um 15.00 Uhr ist Feierabend, von Freitag bis Sonntag haben sie Wochenende. Für ihre Arbeit bekommen sie einen geringen Lohn zur Motivation.

Die Behinderten führen die verschidensten Aufgaben und Tätigkeiten aus, z. B. Dochte in fertige Kerzen stecken, Kerze in eine Hülle schieben und in Kartons verpacken (Erinnerungskerzen für Rabin), Schrauben und Scheiben zusammensetzen, Schrauben in Scharniere klopfen, Maschinenöl in Fläschchen füllen. Manchmal gibt es auch Aufträge mit elektronischen Teilen. Die Aufträge kommen von der Industrie, die dafür auch etwas Geld zahlt. Dazu hält der Direktor der Werkstatt die Beziehungen zu den entsprechenden Fabriken und Firmen und fragt nach geeigneten Aufträgen. Normalerweise gibt es auch genug zu tun, wenn nicht, werden z.B. Videofilme geguckt oder Ausflüge gemacht.

Die Finanzierung der Werkstatt geschieht neben den Einnahmen durch Arbeitsaufträge durch das Wohlfahrtsministerium, die Stadt Haifa und durch Spenden, z.B. vom Amerikanisch-Israelischen Verein.

Das Mittagessen wird in der Einrichtung selbst gekocht, wozu eine gut ausgestattete Küche zur Verfügung steht, die Behinderten helfen manchmal auch bei der Zubereitung. Die gute Beziehung zwischen den Betreuern und den Behinderten wurde mehrfach betont, die ganze Atmosphäre schien auch sehr locker und entspannt zu sein. Zu den Familien bzw. den Heimdirektoren der Betreuten besteht auch eine gute Beziehung, man hat regelmäßigen Kontakt und Austausch über die Behinderten.

Für geistigbehinderte Kinder und Jugendliche gibt es in Israel auch Schulen, auf unsere Frage nach der Schulpflicht (die in Deutschland für jedes Kind besteht!) bekamen wir aber keine eindeutige Antwort. Da den Geistigbehinderten im kognitiven Bereich (u. a. im Erlernen der Kulturtechniken) gewisse Grenzen gesetzt sind, stehen als Förderungsziele die Selbständigkeit (beim Waschen, Essen, bei der Orientierung) und die motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Vordergrund. Man beobachtet z. T., daß bei den russischen Einwanderern die Geistigbehinderten scheinbar fitter sind, sie z.B. etwas lesen können; u. U. wurden sie in ihrer Heimat mehr gefördert und auch getrimmt, schärfer und disziplinierter behandelt.
Die Behinderten sind oft schwer zu verstehen, aber mit der Zeit gewöhnen sich Betreuer und Betreute so aneinander, daß sie sich gegenseitig verstehen, manche der Behinderten sind schon 15 bis 20 Jahre in der Werkstatt beschäftigt. Die meisten der Behinderten können ihre Wünsche und Bedürfnisse, ihre Stimmungslage und Gefühle ausdrucken und werden auch verstanden, wenn sie gar nicht reden können.

Es gibt noch ca. 5 weitere ähnliche Einrichtungen in der Gegend von Haifa, deren Betreute aber z. T. schwerer behindert sind. Mit 60 bis 65 Jahren werden die Behinderten pensioniert und die Regierung sorgt/zahlt dann für sie.

Das Gelände der Werkstatt liegt mitten in einem Industriegebiet von Haifa, was auf den ersten Blick nicht gerade sehr einladend wirkt. Aber vielleicht drückt sich hierin die Annäherung an ein möglichst normales Arbeitsleben aus - zumindest mit der Umgebung, mit der Nähe zu anderen Arbeitsplätzen. Allerdings ist uns auch von Problemen mit Einbrechern erzählt worden, die übers Dach kamen und fünf Klimaanlagen geklaut haben, was vielleicht auch am Umfeld der Werkstatt liegt.

Auf unsere Frage nach der Haltung der Bevölkerung gegenüber Behinderten wurde uns berichtet, daß man zwar die Probleme kennt, aber am liebsten selbst möglichst wenig oder gar nichts damit zu tun haben möchte. Außerdem sei die Haltung auch abhängig von der Umgebung und sozialen Schicht. Menschen mit höherem Niveau haben i. d. R. eine bessere Beziehung zu Behinderten, während einfache Leute damit oft mehr Probleme haben. Traditionelle Familien behalten ihre behinderten Angehörigen oft Zuhause, versorgen sie mit allem, was sie brauchen, lassen sie aber auch kaum an die Offentlichkeit, weil sie sich für si
schämen.

Nach dem kurzen Einblick in diese Werkstatt für Behinderte hatte man den Eindruck, daß die Arbeit dort schon vergleichbar ist mit ähnlichen Einrichtungen in Deutschland. Besonders aufgefallen ist die ruhige Atmosphäre in der Werkstatt, kein Lärm, keine distanzlosen oder überneugierige Behinderte, keine Hektik und kein Streß. Die Einrichtung ist klein und überschaubar und es läßt sich nett in ihr arbeiten.