Arbeitskreis Internationale Jugendarbeit
mit Israel im Kreis Wesel e. V.

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Budapest 1995
Gespräch und Führung mit Frau Wimmer
Besuch beim Raoul-Wallenberg-Komitee
Besuch des jüdischen Viertels in Budapest
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Gespräch und Führung mit Frau Wimmer

Frau Wimmer teilte uns mit, daß sie mit 18 Jahren gefragt wurde, ob sie als Dolmetscherin für Raoul Wallenberg arbeiten wolle. Nach anfänglichem Zögern, aufgrund ihres Alters, sagte sie zu. Zu Beginn der Arbeit von Wallenberg teilte die schwedische Botschaft Schutzpässe an die Juden aus, die eine Verbindung nach Schweden hatten. Das neue an den "Wallenberg-Pässen" war, daß diese ohne Vorbedingungen ausgeteilt wurden. Diese Dokumente hatte Wallenberg selbst entworfen. Was nun war der Wert dieses Papieres? Es sorgte dafür, daß die deutschen und ungarischen Nazibehörden erkannten, daß jenseits der brutalen Macht eine moralische Kraft besteht, der sie unterlegen sind. Der Wallenberg-Paß bescheingte den Inhabern auf deutsch und ungarisch, daß sie unter dem Schutz des swedischen Königreichs stehen und in einem Kollektivpaß eingetragen sind, womit sich die Erlaubnis verbindet, nach Schweden einzureisen.

Im August 1944 wurde ein Transport von 1.000 Juden für Auschwitz zusammengestellt. Man trieb die Budapester Juden zusammen, um sie "verladefertig" zu machen. Wallenberg verteilte kurz vor Abfahrt des Zuges seine Pässe, was zu Folge hatte, daß der Zug nicht nach Auschwitz fuhr. Um die Situation der Juden in Budapest zu verbessern, kaufte Wallenberg in der Phönixstraße einen Häuserkomplex, erklärte ihn zum Bestandteil der schwedischen Gesandschaft und mithin zum exterritorialen Gebiet und zog darüber die Schwedenflagge auf. Sechs Wochen nach seiner Ankunft verfügte er über eine Organisation von 355 Mitarbeitern, dazu 40 Ärzte, er betrieb 35 Schutzhäuser mit rund 15.000 Bewohnern, 2 Krankenhäuser, Suppenküchen und Kindergärten.

Frau Wimmer berichtete, daß sich das Leben in den Schutzhäusem nicht einfach gestaltete. Die Bewohner konnten das Haus täglich zwischen 10.00 und 12.00 Uhr verlassen. Diese 2 Stunden reichten jedoch nicht, um sich Lebensmittel oder Medikamentente zu kaufen, da die Menschen für jedes Gut anstehen mußten. Es war daher nötig, die Häuser mit den lebensnotwendigen Dingen zu versorgen. Um dies zu bewerkstelligen, wurde z.B. von den Mitarbeitern Wallenbergs eine Art Plätzchen gebacken und in 1- bzw. 2-Personen-Portionen verpackt. Diese Ration reichte aus, um nicht zu sterben. Für seine Mitarbeiter besorgte Wallenberg Pässe der faschistischen Behörden, was die Verteilung der Lebemmittel vereinfachte.

In den Schutzhäusern lebten Kinder unter 16 Jahren und alte Menschen über 60 Jahren. Alle anderen wurden zur Zwangsarbeit herangezogen. Ungarische Faschisten wurden eingesetzt, um zu kontrollieren, ob nicht auch ältere Jugendliche in den Mäusern lebten.
Am 15.Oktober 1944 übernahmen die Pfeilkreuzler die Macht, eine Gruppe, die direkt von Eichmann abhing. Da die Rote Armee vor Budapest stand, wurden 40.000 Juden fü r einen Fußmarsch zur 240 km entfernten Grenze zu Österreich zusammengetrieben. Auf dieser Todesstraße teilten fanatische junge Pfeilkreuzler freigiebig Schüsse, Knutenhiebe und Kolbenschläge aus. Wer nicht gehen konnte oder stehen blieb, wurde erschossen. Wallenberg rettete auf diesem Todesmarsch 4.000 Menschen. Frau Wimmer betonte, daß es ungarische Freiwillige waren, die diesen Marsch organisierten.

Worin bestand die Macht Wallenbergs? Frau Wimmer nannte vier Punkte:

  • Schweden war neutral.
  • Wallenberg verteilte Bestechungsgeschenke.
  • Wallenberg war eine beeindruckende Persönlichkeit und zeigte keine Angst.
  • Wallenberg sollte sich ggf. für die Deutschen bei der Roten Armee, die ja vor den Toren von Budapest standen, einsetzen.

Das Motiv Wallenbergs, sich unter Einsatz seines Lebens für unbekannte Menschen einzusetzen, war nicht der Dank dieser Menschen. Für Frau Wimmer wurde Wallenberg aktiv, weil Leben bedroht war.